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Okuli: Lukas 9,57-62 - die Hand an den Pflug legen und nicht zurücksehen
von Johannes Calvin
Lukas 9,57-62
57 Es begab sich aber, da sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wo du hingehst. 58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlege. 59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Erlaube mir, daß ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. 60 Aber Jesus sprach zu ihm: Laß die Toten ihre Toten begraben; gehe du aber hin und verkündige das Reich Gottes! 61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mit zuvor, daß ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind. 62 Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes.
Matth. 8,19. „Und es trat zu ihm ein Schriftgelehrter.“ Matthäus stellt uns hier zwei Männer vor, Lukas dagegen drei. Alle sind bereit, Christus nachzufolgern doch empfangen sie unterschiedliche Antworten, weil sie durch verschiedene Fehler vom rechten Weg zurückgehalten werden. Auf den ersten Blick mag es jedoch als widersinnig erscheinen, daß Christus den, der sich sofort und ohne Zögern anbietet, ihm zu folgen, wegschickt und nicht in seine Begleiterschaft aufnimmt, den andern dagegen, der sich durch seine Bitte um Aufschub als langsamer und weniger bereit erweist, bei sich zurückhält. Aber in beiden Fällen weiß (Christus) genau, was er tut. Denn diese Bereitwilligkeit des Schriftgelehrten, sich unverzüglich zur Begleitung Christi anzuschicken, kam nur daher, daß er sich in keiner Weise klarmachte, wie hart und erbärmlich die Lebensumstände der Begleiter Christi sein würden. Man muß bedenken, daß er als Schriftgelehrter ein ruhiges, bequemes Leben und Ehre gewohnt war; er hätte die Schande, den Mangel, die Verfolgungen und das Kreuz gar nicht ertragen. Er will hier zwar Christus folgen, aber er erträumt sich ein ruhiges, angenehmes Leben und gastliche Aufnahme, die sie mit allen guten Dingen versehen würde, wo doch Christi Jünger durch Dornen gehen und unter beständiger Mühsal auf das Kreuz zuwandern müssen. Je mehr er sich darum beeilt, desto weniger bereit ist er. Er benimmt sich nämlich, wie wenn er im Schatten und unter Genüssen ohne Schweiß und Staub außer Schußweite kämpfen wolle. Es ist kein Wunder, daß Christus solche Leute abweist; denn ebenso wie sie ohne Überlegung bereit sind mitzumachen, so brechen sie auch unter der ersten Beschwernis zusammen, weichen beim ersten Kampf entmutigt zurück und verlassen ihren Posten auf schmähliche Weise. Dazu kommt, daß jener Schriftgelehrte bei Christus möglicherweise eine Stelle suchte, wo er an seinem Tisch umsonst und vortrefflich genährt würde, ohne dafür einen Finger zu rühren. Darum sollen wir wissen, daß in seiner Person wir alle gewarnt werden, uns nicht unbedacht und ruhig als Christi Jünger anzusehen, ohne Kreuz und Drangsal zu bedenken. Lieber sollen wir rechtzeitig überlegen, welche Lage uns erwartet. Denn dies ist das erste Probestück, mit dem Christus uns in seine Schule nimmt, daß wir uns selbst verleugnen und unser Kreuz auf uns nehmen.
Matth. 8, 20. „Die Füchse haben Gruben.“ Damit beschreibt der Sohn Gottes seine Lebenslage, während er auf Erden lebte; darüber hinaus hält er seinen Jüngern vor, auf welche Lebensweise sie sich gefaßt machen müßten. Es ist jedoch seltsam, daß Christus behauptet, er habe keinen Fußbreit Erde, wohin er sein Haupt legen könne, während es viele fromme und freundliche Menschen gab, die ihm gern Gastfreundschaft gewährten. Aber man muß beachten, daß dies zur Warnung gesagt ist, damit der Schriftgelehrte nicht von einem gewissermaßen begüterten Herrn einen reichen, stattlichen Lohn erwartet, während der Herr selbst als Gast in fremden Häusern lebt.
Matth. 8, 21. „Daß ich... meinen Vater begrabe.“ Wir haben gesagt, Christus habe den Schriftgelehrten als Begleiter abgewiesen, weil er sich eine bequeme Art von Leben vorstellte und sich ohne Überlegung aufdrängte. Dieser jedoch, den Christus zurückhält, litt am entgegengesetzten Fehler: denn seine Schwachheit war schuld daran, daß er Christus, der ihn rief, nicht auf der Stelle folgte. Es kam ihn hart an, seinen Vater zu verlassen, und man muß annehmen, daß dieser unter Alterserscheinungen litt, wenn er sagt: erlaube, daß ich ihn begrabe. Denn diese Redeweise zeigt, daß (sein Vater) nicht mehr lange zu leben hatte.
Lukas erzählt, Christus habe ihm befohlen zu folgen; dafür sagt Matthäus, er sei einer von den Jüngern gewesen. Er verweigert nun zwar den Ruf nicht; aber er erbittet sich einen Aufschub, bis er an seinem Vater den Liebesdienst getan hätte. Denn seine Entschuldigung geht dahin, daß er nicht frei sei, solange der Vater lebe. An Christi Antwort erkennen wir, daß die Anhänglichkeit der Kinder gegen ihre Eltern so zu pflegen sei, daß sie, immer wenn Gott uns zu anderen Aufgaben ruft, zurückgestellt wird, damit sein Auftrag den ersten Rang einnimmt. Was immer wir den Menschen an Liebesdienst schulden, muß zurücktreten, wenn Gott uns an eine Aufgabe ruft. Nun muß jeder einzelne sehen, was Gott von ihm fordert und was der Beruf verlangt, dem er sich gewidmet hat, damit nicht etwa die irdischen Eltern im Weg stehen, wenn dem höchsten und einzigen Vater aller sein ungeschmälertes Recht werden muß.
Matth. 8, 22. „Laß die Toten ihre Toten begraben.“ Mit diesen Worten verurteilt Christus nicht die Pflicht zur Bestattung; es wäre nämlich gräßlich und unmenschlich, die Leichname der Verstorbenen unbegraben beiseite zu werfen, zumal wir wissen, daß uns Menschen der Brauch der Bestattung von Gott verordnet und bei den Heiligen geübt wurde, um die Hoffnung auf die letzte Auferstehung zu befestigen. Er wollte nur so viel sagen: Was immer uns vom rechten Weg abbringt oder uns (beim Fortschreiten) aufhält, gehört in den Bereich des Todes. Oder: nur die sind wirklich lebendig, die ihr Sinnen und Trachten und alle Bezirke ihres Lebens an den Gehorsam gegenüber Gott aufgeben; die aber in der Welt hängenbleiben und den Menschen zu Willen sind, übergehen Gott und sind wie Tote, die sich mit der Sorge um die Toten vergeblich und unnütz beschäftigen.
Luk. 9, 60. „Geh du aber hin und verkündige.“ Matthäus schreibt nur: Folge mir; Lukas aber drückt deutlicher aus, wozu er berufen wurde, nämlich Diener am Evangelium und Herold zu sein. Denn wenn er nur sein persönliches Leben hätte aufgeben sollen, hätte ihn keine Notwendigkeit gezwungen, seinen Vater zu verlassen, solange er nicht um des Vaters willen vom Evangelium abfiel. Aber da die Verkündigung des Evangeliums nicht zuließ, daß er zu Hause wohnen blieb, trennt Christus ihn mit Recht von seinem Vater. Wie übrigens darin die wunderbare Güte Christi aufleuchtet, daß er einen bis dahin schwachen Mann einer so ehrenvollen Aufgabe würdigt, so ist es der Mühe wert, zu beachten, daß der Fehler, der bis dahin an ihm haftete, zurechtgestellt und nicht mit Nachsicht übergangen wird.
Luk. 9, 61. „Und ein anderer sprach.“ Diesen dritten erwähnt Matthäus nicht. Er war anscheinend auch der Welt zu sehr verhaftet, als daß er frei und bereit gewesen wäre, Christus zu folgen. Er bietet sich zwar Christus zum Begleiter an, aber unter der Bedingung, daß er vorher von seinen Hausgenossen Abschied nehmen, das heißt seine häuslichen Angelegenheiten ordnen, wolle, wie man zu tun pflegt, wenn man zu einer Reise rüstet. Das ist der Grund, warum ihn Christus so hart anfährt; denn er hatte sich mit seinem Wort dazu verpflichtet, Christi Begleiter zu werden, und wandte ihm den Rücken, bis er seine irdischen Geschäfte erledigt hätte. Wenn nun Christus behauptet, zum Reich Gottes sei nicht geeignet, wer zurückschaue, so ist aufmerksam zu fragen, was er damit sagen will. Man sagt von solchen Menschen, „sie schauen zurück“, die sich in die Sorgen der Welt verwickeln und dadurch vom rechten Weg abbringen lassen, besonders aber von denen, die in solchen Dingen untertauchen, die sie zur Nachfolge Christi untüchtig machen.
Aus: Calvin, Auslegung der Heiligen Schrift, Die Evangelienharmonie 2. Teil, Neunkirchener Verlag 1974, S. 255ff.
Unser Gemüt ist zerschlagen, unsere Seele hungrig und Unruhe treibt uns in die Erschöpfung. Gott, lass uns deine Nähe spüren. Schenk uns Geborgenheit und verlässlichen Halt.